Eignungsprüfung und verkürzte Wärmeplanung
Wie läuft die Eignungsprüfung ab? Wann ist die verkürzte Wärmeplanung sinnvoll? Warum muss man bei dezentralen Lösungen das Stromnetz mitdenken? Hier finden Sie eine kritische Analyse der Vor- und Nachteile.
Verkürzte Wärmeplanung im Gesetz
Mit der Eignungsprüfung und der darauf aufbauenden Option der verkürzten Wärmeplanung bietet das Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (Wärmeplanungsgesetz/WPG) Gemeinden eine Möglichkeit, unter bestimmten Umständen den Umfang der KWP zu reduzieren. So sollen insbesondere für kleinere Gemeinden Aufwand und Kosten der KWP verringert und der noch im Aufbau befindliche Dienstleistermarkt berücksichtigt werden.
Im Rahmen der Eignungsprüfung werden anhand einer Reihe von Prüfkriterien Teilgebiete identifiziert, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für die Versorgung durch ein Wärmenetz oder ein Wasserstoffnetz eignen. Für ein solches Teilgebiet kann die planungsverantwortliche Stelle entscheiden, eine verkürzte Wärmeplanung durchzuführen.
In diesem Fall wird auf die Bestandsanalyse verzichtet und in der Potenzialanalyse werden nur die Potenziale ermittelt, die für eine dezentrale Versorgung in Frage kommen. Das Teilgebiet wird im Wärmeplan als voraussichtliches Gebiet für die dezentrale Versorgung dargestellt.

Begriffsklärung: Verkürzte Wärmeplanung oder vereinfachtes Verfahren?
Das WPG enthält neben der verkürzten Wärmeplanung (nach § 14 WPG) eine weitere Möglichkeit, den Umfang der KWP zu reduzieren: das vereinfachte Verfahren (nach § 22 WPG).
Das vereinfachte Verfahren ist für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern vorgesehen und kann von den Ländern ausgestaltet werden. Das WPG benennt hier lediglich mögliche Ansätze. Da das vereinfachte Verfahren erst noch durch Landesrecht definiert wird, beziehen wir uns aktuell vor allem auf die verkürzte Wärmeplanung.
Überblick: Umfang der verkürzten Wärmeplanung
Die verkürzte Wärmeplanung (nach § 14 WPG) kommt in Frage, wenn im Rahmen einer Eignungsprüfung Teilgebiete identifiziert werden, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für eine zentrale Versorgung eignen, weder mit einem Wärme- noch mit einem Wasserstoffnetz. Stattdessen werden hier voraussichtlich Einzellösungen wie Wärmepumpen eingesetzt. Für diese Teilgebiete können Kommunen entscheiden, eine verkürzte Wärmeplanung durchführen.
Bei der verkürzten Wärmeplanung muss für das betroffene Teilgebiet keine Bestandsanalyse durchgeführt werden. Zusätzlich muss allerdings geprüft werden, ob es sich bei dem Teilgebiet um ein Gebiet mit erhöhtem Energieeinsparpotenzial (nach § 18 WPG) handelt. Denn trifft dies zu, ist im Teilgebiet dennoch eine Bestandsanalyse durchzuführen. Die Potenzialanalyse kann auf die Potenziale der dezentralen Versorgung beschränkt werden. Außerdem kann das Teilgebiet als Gebiet für die dezentrale Wärmeversorgung dargestellt werden, ohne dass ein Wirtschaftlichkeitsvergleich durchgeführt wurde.
Wichtig: Kommunale Wärmepläne müssen mindestens alle fünf Jahre überprüft und aktualisiert werden. Diese gesetzliche Vorgabe gilt auch für die Teilgebiete mit verkürzter Wärmeplanung. Kommt die Eignungsprüfung dann zu einem anderen Ergebnis, muss die vollständige Wärmeplanung durchgeführt werden.
Die Eignungsprüfung im Detail
Im Vergleich zu bisherigen Regelungen einzelner Länder stellt § 14 WPG vor die Bestandsanalyse die Eignungsprüfung, im Rahmen derer die Eignung von Gebieten für die Versorgung mit Wärme- oder Wasserstoffnetzen geprüft wird.
Kommt die Eignungsprüfung zu dem Ergebnis, dass sich das Teilgebiet weder für die Versorgung über ein Wärmenetz noch über ein Wasserstoffnetz eignet, kann die planungsverantwortliche Stelle die Entscheidung treffen, dort eine verkürzte Wärmeplanung durchzuführen.

Es wird geprüft, ob sich das Teilgebiet mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für die Versorgung durch ein Wärmenetz eignet. Dafür gibt das WPG drei Kriterien vor:
- Im Teilgebiet besteht kein Wärmenetz.
- Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für Wärmepotenziale aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme, die über ein Wärmenetz genutzt werden können.
- Aufgrund der Siedlungsstruktur und des daraus resultierenden voraussichtlichen Wärmebedarfs ist nicht davon auszugehen, dass die Versorgung über ein Wärmenetz wirtschaftlich wäre.
Treffen alle drei Aussagen zu, kann nach WPG geschlussfolgert werden, dass sich das Teilgebiet zukünftig nicht für die Versorgung durch ein Wärmenetz eignet.
Ebenso wird geprüft, ob sich das Teilgebiet mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht für die Versorgung durch ein Wasserstoffnetz eignet. Dafür gibt es drei Möglichkeiten:
- Es besteht kein Gasnetz und es liegen keine konkreten Anhaltspunkte für eine dezentrale Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff vor.
- Es besteht kein Gasnetz und die Versorgung eines künftigen Wasserstoffverteilnetzes über die darüberliegende Netzebene erscheint nicht sichergestellt.
- Es besteht ein Gasnetz, aber insbesondere aufgrund der räumlichen Lage, der Abnehmerstruktur und des voraussichtlichen Wärmebedarfs ist nicht davon auszugehen, dass die Versorgung über ein Wasserstoffnetz wirtschaftlich wäre.
Trifft eine der drei Aussagen zu, dann kann nach WPG daraus geschlossen werden, dass sich das Teilgebiet zukünftig nicht für die Versorgung mit einem Wasserstoffnetz eignet.
Im Rahmen der Eignungsprüfung wird das beplante Gebiet zusätzlich auf Teilgebiete untersucht, deren Wärmeversorgung bereits vollständig oder nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien, unvermeidbarer Abwärme oder einer Kombination aus beidem beruht (§14 Abs. 6 WPG).
Für diese Gebiete kann komplett auf die Durchführung der Wärmeplanung verzichtet werden.
Dazu aus dem Leitfaden Wärmeplanung (ifeu 2024, S. 29): "Von einer „nahezu vollständigen“ Versorgung mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme kann bei Anteilen von mehr als 75 Prozent ausgegangen werden, wenn die vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme ohne Maßnahmen erreicht werden kann, die mit erheblichem Planungs- und Umsetzungsaufwand verbunden sind. Das ist etwa der Fall, wenn kein Aus- oder Umbau von Infrastrukturen erforderlich ist. Wird beispielsweise nur die Spitzenlast über fossile Kessel mit fossilen Brennstoffen erzeugt, die perspektivisch durch erneuerbare Brennstoffe ersetzt werden, ist ein „nahezu vollständig“ gegeben."
Verkürzte Wärmeplanung in der Praxis
Es ist nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber mit § 14 WPG den Aufwand für Gemeinden reduzieren möchte. Die Eignungsprüfung wird vor dem Beginn der eigentlichen Wärmeplanung durchgeführt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die detaillierten Erkenntnisse der Bestands- und Potenzialanalyse noch nicht vorliegen. Gleichzeitig kann die Eignungsprüfung weitreichende Folgen für die zukünftige Wärmeversorgung haben.
Deswegen sollten die Prüfkriterien der Eignungsprüfung streng ausgelegt werden und Entscheidungen über die Durchführung einer verkürzten Wärmeplanung gut abgewogen werden. Auch der Leitfaden Wärmeplanung empfiehlt im Zweifelsfall einen normalen Wärmeplanungsprozess durchzuführen (ifeu 2024, S. 29).
Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Wärmenetzen gibt es grundsätzlich nur wenige Gebiete, in denen diese Versorgungslösung ohne vorgehende vertiefende Analyse mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. In einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) wurden unterschiedliche zentrale und dezentrale Wärmeversorgungslösungen in verschiedenen Siedlungstypen (Reihenhaussiedlung, Zeilenbebauung etc.) verglichen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Wärmenetze auch in Siedlungsgebieten geringer baulicher Dichte wirtschaftliche Alternativen darstellen können. Auch wenn für solche Gebiete als Ergebnis der KWP bisher häufig eine dezentrale Versorgung vorgesehen wurde, sollte diese Entscheidung nicht durch die Eignungsprüfung vorweggenommen werden.
Laut WPG kann die Eignungsprüfung ohne zusätzliche Datenerhebung anhand bereits vorliegender Informationen zu Siedlungsstruktur, industrieller Struktur, Abwärmepotenzialen, Lage der Energieinfrastrukturen und Bedarfsabschätzungen erfolgen. Die Ermächtigung zur Datenerhebung für die Wärmeplanung nach § 10 WPG bezieht sich zudem nur auf die Bedarfs- und Potenzialanalyse und nicht auf die Eignungsprüfung. In der Praxis ist fraglich, ob die vorhandenen Daten genügen, um belastbare Aussagen über die Eignung von Gebieten für die zentrale Wärmeversorgung zu treffen.
Die Möglichkeiten für den Einsatz von zentralen Versorgungsoptionen wie Nahwärmenetzen und kalten Wärmenetzen werden noch unterschätzt. Wenn im Rahmen der Wärmeplanung keine Bestandsanalyse und nur eine begrenzte Potenzialanalyse durchgeführt werden, fehlen die Daten anschließend für Akteure wie Energiegenossenschaften, die ein Wärmenetz in ihrem Quartier aufbauen möchten. Diese können aufgrund ihrer nicht vorhandenen oder begrenzten Gewinnorientierung auch dort Nahwärmenetze realisieren, wo Stadtwerke oder weitere potenzielle Wärmenetzbetreiber von einer Investition absehen. Werden die Daten aufgrund der verkürzten Wärmeplanung nicht erhoben, verringern sich die Chancen, solche Lösungen umzusetzen.
Wird im Rahmen der verkürzten Wärmeplanung auf eine Bestandsanalyse verzichtet, kann der Ist-Zustand des Gebiets nur begrenzt abgebildet werden. Der Entwicklungsfortschritt (z.B. Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Wärmesektor und THG-Einsparungen) kann bei der zukünftigen Überprüfung und Fortschreibung des Wärmeplans lediglich bruchstückhaft dargestellt werden.
Die Entscheidung, in einem Gebiet nur die verkürzte Wärmeplanung durchzuführen, muss nicht nur gründlich abgewogen, sondern anschließend auch transparent und nachvollziehbar den in dem Gebiet lebenden Menschen erläutert werden. Schließlich erhoffen sich die Bürgerinnen und Bürger von der Kommunalen Wärmeplanung eine fundierte Abwägung der möglichen Versorgungsoptionen. Der Ausschluss einzelner Gebiete von der vollständigen Wärmeplanung kann ein Gefühl der Ungleichbehandlung und im schlimmsten Fall Zweifel an der Wärmeplanung insgesamt auslösen. Es müssen also eindeutige Argumente für die Verkürzung der Wärmeplanung vorliegen, die dann auch klar kommuniziert werden.
Hinter der verkürzten Wärmeplanung steht die Hoffnung, dass mit ihr Aufwand und Kosten reduziert werden können. In der Praxis ist aber fraglich, ob dies tatsächlich erreicht wird. Der Aufwand für die Erhebung und Aufbereitung der Daten und das Aufsetzen des Datenmodells für die Wärmeplanung steigt nicht proportional mit der Größe der beplanten Fläche. Vielmehr verringert das Ausgliedern einzelner Teilgebiete aus dem Datenmodell den Aufwand und die Kosten der Wärmeplanung in der Regel nur geringfügig.
Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Ergebnisse der Eignungsprüfung im Rahmen der Fortschreibung bzw. der Überarbeitung des Wärmeplans zu überprüfen sind. Kommt die Eignungsprüfung dann zu dem Ergebnis, dass eine netzgebundene Versorgung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, muss für das Teilgebiet die vollständige Wärmeplanung nachgeholt werden.
Fazit
Angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Wärmenetzen wird es nicht viele Teilgebiete geben, in denen die Kriterien der Eignungsprüfung eine verkürzte Wärmeplanung erlauben. Ohne eine stabile Datengrundlage, die erst im Rahmen der Wärmeplanung aufgebaut wird, ist es insbesondere für die planungsverantwortliche Stelle schwierig, eine fundierte und verlässliche Entscheidung zu treffen.
Der Ausschluss einzelner Teilgebiete von der vollständigen Wärmeplanung hat zudem eine politische Dimension. Die Vorfestlegung auf eine dezentrale Versorgung kann einerseits den kritischen Blick der Kommunalpolitik auf sich ziehen und birgt anderseits das Risiko, dass sich die Menschen im Teilgebiet ungleich behandelt fühlen.
Zudem bleibt die Frage offen, wie viel Aufwand und Kosten durch die Verkürzung der Wärmeplanung tatsächlich reduziert werden können.
Ausnahme: sehr kleine Kommunen
Zu einer signifikanten Reduktion des Aufwands kann es jedoch kommen, wenn in einer sehr kleinen Kommune für das gesamte beplante Gebiet die verkürzte Wärmeplanung durchgeführt wird. Sehr kleine Kommunen benötigen vielleicht auch keine vollumfängliche strategische Planung für die Dekarbonisierung ihrer Wärmeversorgung und könnten stattdessen direkt in die Detailplanung von Wärmewendemaßnahmen übergehen.
Wichtig: Ausbau der Infrastruktur in jedem Fall nötig
Generell empfiehlt es sich, in der Wärmewende nicht reflexartig auf dezentrale Lösungen zu setzen. Es mag attraktiv erscheinen, diese vermeintlich simplere Option in weiten Teilen der Gemeinde einzuplanen. Doch auch dies erzeugt einen neuen Infrastrukturbedarf: Werden im großen Stil dezentral Wärmepumpen eingesetzt, steigen die Anforderungen an Stromerzeugung und Stromnetz insbesondere an kalten Tagen massiv, da diese Lastspitzen nicht durch Lösungen wie saisonale Wärmespeicher aufgefangen werden können. Das muss bei der Entscheidung zur verkürzten Wärmeplanung und der Vorentscheidung für eine dezentrale Versorgung ebenfalls abgewogen werden.
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